Deutsch

Aufruf zur Einsendung von Beiträgen:

Arbeitstitel: Challenging Convictions: Survivors of Sexual Assault/Domestic Violence Writing on Solidarity with Prison Abolition.

Deadline: 15. April 2012. VERLÄNGERT bis zum 15. Juni, 2012

Genau wie viele andere Projekte, die sich mit der Abschaffung von Gefängnissen auseinandersetzen, wurde auch dieser Aufruf vor allem von zwei Dingen motiviert: Frustration und Hoffnung. Frustration über Organisator_innen, die sich gegen sexuelle Übergriffe und häusliche Gewalt engagieren, und dabei die Polizei als eine gute und immer verfügbare Lösung ansehen; Frustration über Anti-Gefängnis-Aktivisten, die häusliche Gewalt und Vergewaltigung nur als provokative Beispiele benutzen und Frustration über akademische Debatten, die nur distanzierte Fallstudien von Beobachter_innen und Statistiken benutzen um über sexuelle Gewalt in Gefängnisanlagen/ dem Prison Industrial Complex (PIC*) zu sprechen.
Aber dieses Projekt teilt auch die Hoffnung und die Wertschätzung, auf Gemeinschaften hinzuarbeiten, die von Gefängnissen und sexueller Gewalt befreit sind. Es ist mit der Überzeugung verbunden, dass Widerstand gegenüber Gefängnissen, häuslicher Gewalt und sexuellen Übergriffen untrennbar miteinander verbunden ist. 

Wir als Initiator_innen dieses Sammelbands sind an Geschichten von Überlebenden sexueller Übergriffe und häuslicher Gewalt in Verbindung mit dem Kampf gegen das Gefängnissystem interessiert. Wir freuen uns jedoch über Einsendungen von Überlebenden mit und ohne Hafterfahrung. Sowohl Überlebende, die von polizeilicher Intervention betroffen waren als auch die, die es nicht waren, sollen ermutigt werden ihre Werke einzusenden.
Wir suchen persönliche Erzählungen oder Dokumentarromane von Überlebenden sexueller Übergriffe oder häuslicher Gewalt, die an einem Austausch ihrer individuellen und persönlichen Bedürfnisse in Bezug auf Anti-Gewalt-Arbeit und Anti-Knast-Arbeit interessiert sind.

Sexuelle Übergriffe, häusliche Gewalt, Polizeigewalt, Inhaftierungen und die Voreingenommenheit von Gerichten kann dabei nicht losgelöst von Privilegien und Ausgrenzungsmechanismen betrachtet werden. Zum großen Teil ist es für bestimmte Gruppen von Menschen nicht nur sehr viel unwahrscheinlicher Gewalt zu erfahren, es ist für sie auch unwahrscheinlicher mit dem kriminellen Ungerechtssystem in Berührung zu kommen. Zu diesen Gruppen gehören vor allem Menschen, die als weiß, heterosexuell, nichtbehindert und männlich wahrgenommen werden, Menschen mit Aufenthaltsgenehmigung, in kolonialisierten Gebieten Nicht-Indigene Menschen und Menschen, die finanziell abgesichert sind.

Gleichzeitig setzen viele Beratungsstellen für Überlebende sexuellen Missbrauchs und häuslicher Gewalt durch die Gestaltung ihrer Angebote das Innehaben bestimmter Privilegien voraus und ignorieren dadurch existierende Barrieren.
Wir sind daher ausdrücklich auch an Beiträgen interessiert, die ergründen, wie Erfahrungen im Zusammenhang mit ethnischer Herkunft, Geschlecht, nationaler Zugehörigkeit, sexueller Orientierung oder Klasse das eigene Verständnis von Polizei, Gefängnissen, sexuellem Missbrauch und häuslicher Gewalt beeinflusst haben.

Mögliche Themen können sein:

- was bedeutet für dich Gerechtigkeit?
- Vorschläge für Alternativen zu Polizei und Gefängnisse als zwangsläufige Antwort auf sexuelle Gewalt
- welches Wissen ist wichtig für Menschen in der Anti-Gefängnis-Bewegung, die keine eigenen Erfahrungen mit damit einhergehenden Situationen haben
- wie bist du mit Depressionen oder dem Gefühl der Sinnlosigkeit/ Zwecklosigkeit umgegangen und wie hast du sie vielleicht sogar überwunden?
- kritische Auseinandersetzungen mit der Frage warum das Rechtssystem eine Option für dich war oder warum nicht
- Gedanken zu Polizist_innen und Gefängnissen/ dem Prison Industrial Complex (PIC*) und ihrer Rolle in einer Vergewaltigungskultur (rape culture**)
- Beispiele für wiederherstellende/wiederaufbauende Gerechtigkeit (restorative justice****) und andere Methoden außerhalb des Prison Industrial Complex auf sexuelle Gewalt zu reagieren
- Wie hast du dich bei Unterhaltungen über Gefängnisse/ den Prison Industrial Complex gefühlt
- Wie Organsiator_innen, die sich gegen sexuelle Übergriffe, häusliche Gewalt und Gefängnisse engagieren mit sexuellen Übergriffen innerhalb und außerhalb von Gefängnissen / des Prison Industrial Complex umgehen
- Polizei und Gefängniswärter als Trigger***
- wie kann mensch auf sexuelle Übergriffe und häusliche Gewalt antworten, wenn es keine Unterstützung aus dem Umfeld gibt
- Was kann das Rechtssystem Überlebenden von sexuellen Übergriffen und häuslicher Gewalt anbieten und was nicht
- Gedanken zu Macho-Anarchisten (Manarchists), den Machern von Fernsehkrimis sowie Personen-Gruppen, die dich allein gelassen haben
- die Scham von Überlebenden der Polizei über das Geschehene zu berichten

sendet eure Essays, Dokumentarromane, kritischen Betrachtungen und Ich-Erzählungen bis zum 15. April 2012 15 Juni 2012 an survivorsinsoli@gmail.com mit dem Betreff "Submission". 

Bitte beachtet außerdem folgendes:

- nur eine Einsendung pro Person
- in englischer Sprache (wenn ihr Hilfe beim Schreiben auf Englisch braucht, sagt uns gern Bescheid)
- Pseudonyme sind willkommen. Ebenso Namensänderungen innerhalb der Geschichte.

Wenn du dies an jemanden ohne Computerzugang weiterleitest:


- wir nehmen auch Scans von handgeschriebenen Geschichten entgegen (dann bitte mit den Kontaktdaten des Autors/ der Autorin);
- kontaktiert uns wenn eine Postadresse benötigt wird

Wir freuen uns über frühzeitig eingesendete Beiträge und über Einsteiger-Autor_innen.

Wenn du fragen hast, schreib einfach eine E-mail mit dem Betreff „Question“ an  survivorsinsoli@gmail.com.
 Wir suchen sowohl nach kürzeren als auch längeren Werken. Sollte deine Geschichte mehr als 20 Seiten lang sein, schreib uns bitte eine E-mail, um es kurz mit uns abzusprechen. 

Bitte füge eine Kurzbiografie bei, die du mit den Redakteur_innen teilen willst (max. 200 Wörter). Dabei geht es nicht um einen Berechtigungsnachweis oder ähnliches, sondern darum, eine Vorstellung zu bekommen, aus welchen Zusammenhängen du kommst und aus welchen Perspektiven du deine Geschichte erzählst. Alle Informationen die du uns zukommen lässt werden vertraulich behandelt.

Auswahl und Bearbeitung: Die Einsendungen werden von einer Gruppe von Lesern durchgesehen, die entscheiden, ob und wie ein Werk am besten zu dem geplanten Projekt beitragen kann. Jedes Werk wird von mindestens zwei Leser_innen gelesen, die mit entscheiden werden, ob das Werk angenommen/abgelehnt/bearbeitet wird.  
Manche von uns, die an diesem Projekt gearbeitet haben wurden lange Zeit dazu gebracht sich allein zu fühlen, sowohl als Überlebende als auch als Anhänger der Gefängnisbefreiungsbewegung. Manche von uns haben es geschafft, Freiräume innerhalb dieser Gemeinschaften zu erkämpfen. Und nun möchten wir die Möglichkeiten des Austauschs weiter öffnen und von Menschen hören, die wir noch nicht kennen, die Schwierigkeiten mit politischer Arbeit innerhalb einer Vergewaltigungskultur und eines Polizeistaates haben.
Wir glauben, dass die Bedürfnisse von Überlebenden von besonderer Bedeutung für diese sozialen Bewegungen sind, und wir brauchen niemanden, der für uns spricht oder über uns als eine Nummer in irgendeiner Statistik. Wir möchten es von dir hören.

Weitere Informationen findet ihr auf: http://survivorsinsoli.blogspot.ca/p/deutsch.html

Diesen Aufruf bitte weitläufig in euren Verteilern weiterleiten.

*PIC  Der Begriff „Prison Industrial Complex“ bezeichnet in einigen Ländern das Gefängniswesen, in denen zunehmend private Unternehmen Gefängnisse betreiben und unterstreicht den Zusammenhang zwischen Gefängnissen, (erzwungener) Arbeit, Militarisierung, Kapitalismus und der Regierung.

 Unter Trigger*** versteht man Sinneseindrücke, die Erinnerungen an alte Erfahrungen in einer Art wecken, als ob sie noch einmal aufs Neue gemacht würden. Diese Erinnerung erfolgt meist plötzlich und mit großer Wucht. Die damaligen Gefühle werden unmittelbar erlebt (Flashback). Als Trigger können auch ganz schwache Signale wirken, beispielsweise ein Jahrestag, ein Geruch, eine Geste, ein Geräusch. Sie stehen meist im Zusammenhang mit schweren seelischen oder körperlichen Verletzungen.  (source: wikipedia german)



**Rape Culture (übersetzt etwa: „Vergewaltigungskultur“) beschreibt eine Kultur, in der Vergewaltigungen und sexualisierte Gewalt gegen Frauen toleriert und durch bestimmte Verhaltensweisen, Normen oder auch Medien verharmlost und gefördert werden.
(source: http://maedchenblog.blogsport.de/2011/10/05/der-wahre-facebook-skandal-triggergefahr/)


***Unter Trigger versteht man Sinneseindrücke, die Erinnerungen an alte Erfahrungen in einer Art wecken, als ob sie noch einmal aufs Neue gemacht würden. Diese Erinnerung erfolgt meist plötzlich und mit großer Wucht. Die damaligen Gefühle werden unmittelbar erlebt (Flashback). Als Trigger können auch ganz schwache Signale wirken, beispielsweise ein Jahrestag, ein Geruch, eine Geste, ein Geräusch. Sie stehen meist im Zusammenhang mit schweren seelischen oder körperlichen Verletzungen.  (source: wikipedia german)


****Restorative Justice (englisch: to restore: wiederherstellen; justice: Justiz; Gerechtigkeit) ist ein international gebräuchlicher (und in umfassender Weise ins Deutsche nicht übersetzbarer) Begriff für eine alternative Form der Konflikttransformation. Er kann eine Alternative zu gängigen gerichtlichen Strafverfahren oder auch gesellschaftliche Initiativen außerhalb des Staatssystems bezeichnen (source: wikipedia german)

Übersetzt von [Clar Sees]